#designtheorie

Die Designrhetorik ist ein Ansatz zur Fundierung einer Designtheorie, deren Ansatz der kommunikative Charakter des Designs ist. Arne Scheuermann, Leiter am Institute Of Design Research an der Berner Fachhochschule beschreibt diesen Forschungsbereich wie folgt:

Visuelle Gestaltung und Rhetorik sind seit der Antike eng miteinander verwoben: von den antiken Bildtheorien über die Bildprogramme der Renaissance bis zur Werbegrafik des 20. Jahrhunderts. Die explizite Beschäftigung mit diesen Zusammenhängen ist jedoch relativ jung und beginnt in den 1960er Jahren, als Gui Bonsiepe erstmals eine moderne elocutio der visuell-verbalen Rhetorik vorlegt. Der Fokus lag hierbei zunächst auf den rhetorischen Figuren: Gibt es Hyperbel, Metonymie oder Ellipse nicht nur auf verbaler, sondern auch auf visueller Ebene? Die Projekte im Forschungsfeld weiten den rhetorischen Blick auf das Kommunikationsdesign auf seine vielfältigen Wirkungsweisen aus, wobei Rhetorik als Überzeugungskunst in einem umfassenden Sinn verstanden wird: Nicht nur das marktschreierische Werbeplakat, sondern auch die zurückhaltende Signaletik des öffentlichen Verkehrs oder das schlichte Briefpapier einer Anwaltskanzlei wird unter dem Aspekt wirkungsorientierter Kommunikation betrachtet. Eine weitere zentrale Gemeinsamkeit von Design und Rhetorik ist auch das enge Zusammenspiel von Theorie und Praxis: Beide können theoretisch vermittelt werden, letztlich kommt die Könnerschaft jedoch erst mit der Praxis. Das theoretische Wissen über Rhetorik bzw. Design wird überdies bereichert – ja kann erst entstehen – durch die genaue Beobachtung und Analyse eigener und fremder Praxis. Die Forschungsprojekte im Feld basieren auf diesem Rückkoppelungsprozess von Theorie, Praxis und Analyse.

Die Auseinandersetzung mit der Rhetorik des Designs ist auch Teil meines Master-Studiums Public Interest Design. Dazu heißt es in der aktuellen Prüfungsordnung im Modul 3 »Design als mediale Transformation«:

Die Studierenden werden befähigt, medienspezifische Transformationsprozesse zu erkennen, zu beschreiben und zu kritisieren. Sie sind dazu grundlegend orientiert über die Besonderheiten medialer Transformation in urbanen und demokratischen Kontexten, sie berücksichtigen demnach auch die Möglichkeiten medial-transformativer Partizipation. Sie sind zudem in der Lage, Perspektivwechsel zu vollziehen, Interessen sichtbar zu machen und transformative Überzeugungsprozesse zu gestalten. Die Ubiquität narrativer und überdies rhetorischer Prozesse in demokratischen Gesellschaften macht es notwendig, dass die Studierenden ebenso orientiert sind über die Möglichkeiten normativer, ästhetischer und rhetorischer Kritik.

Zum Modulteil Designrhetorik selbst:

Design wird in den letzten Jahren zunehmend als Medium rhetorischer Strategien verstanden und in den fachwissenschaftlichen Diskursen diskutiert.

Vor diesem Hintergrund werden in der Modulkomponente Methoden und Inhalte der klassischen Rhetorik erörtert und in ihrer Adaptierbarkeit auf visuelle, audiovisuelle und räumliche Gestaltungskonzepte überprüft. Designrhetorik wird in diesem Zusammenhang als Methode zur medialen Transformation diskutiert und in Ihrer Leistungsfähigkeit kritisch hinterfragt.

Einstieg in die Designrhetorik

Zur Designrhetorik gibt es einige Ressourcen im Web:

Das eJournal Sprache für die Form: Forum für Design und Rhetorik, herausgegeben von Volker Friedrich, Direktor am Institut für professionelles Schreiben an der Hochschule Konstanz. Im Editorial zum E-Journal Sprache für Form schreibt er:

Dieses Forum für Design und Rhetorik möchte Designern und Rhetorikern einen Austausch ermöglichen und einen Beitrag dafür leisten, dass wir Design besser verstehen, dass wir über Design besser, genauer, verständiger und verständlicher reden.

Das eJournal hat eine gute Übersicht zum Einstieg und ein Begriffslexikon.

Ein paar interessante Auszüge aus dem Einführungstext Designer sollten Rhetoriker werden: Ohne Sprache kommt die Gestaltung nicht in Form von Volker Friedrich, 2012:

Gestalter scheinen häufig von einer großen Leidenschaft oder Liebe zu ihrem Metier getragen zu werden, sie tun gern, was sie tun, und sind oft vom gesellschaftlichen Nutzen und Wert ihres Tuns überzeugt, also auch von moralischen und ethischen Vorstellungen angetrieben. Designer üben ihre Praxis mit Intensität aus, stecken viel Energie in die Entwicklung von Ideen und Konzepten und deren Verwirklichung. […] Wenige Gestalter, so befragt, wagen sich auf das Glatteis der Theorie …

Daran kann indes kein Zweifel bestehen: Design spielt in unserer Welt eine beträchtliche Rolle, sei es bei der Gestaltung von Produkten oder von Kommunikation – Design durchwebt den Alltag der Menschen. […] Obgleich Designer sich so vieler Formensprachen zu bedienen wissen, mangelt es an einer Sprache für die Form. […] erst [Theorien] erlauben es, aus Einzelfällen Strukturen herauszufiltern, die sich wiederholen und somit handlungsleitend werden.

Ein gesicherter Begriffsapparat ist Kennzeichnen einer Disziplin und die Basis einer jeden Methode. Solch ein Begriffsapparat vereinfacht den Austausch über das Denken […]. Designer können ein etabliertes Fachvokabular beziehen aus der Rhetorik. […] die Rhetorik ist die älteste und am weitesten ausgebaute Kommunikations- und Argumentationstheorie. Die Rhetorik hat gegenüber vielen Theorien den Vorzug, eine enge Anbindung an die Praxis zu haben, sich auf die Praxis zu beziehen, sich mit ihr in Wechselwirkung zu entwickeln.

Einer der wichtigsten Untersuchungsgegenstände der Rhetorik ist die Frage, wie wir mit kommunikativen Mitteln Wirkung erzielen können. Die Frage nach der Persuasion, die Frage, wie wir überzeugen, wie wir mit kommunikativen Mitteln Wirkung erzielen, untersucht die Rhetorik schon seit langem und ist dabei zu detaillierten Ergebnissen gekommen. […] Designer sollten zu Rhetorikern werden oder sich doch zumindest intensiv mit Rhetorik beschäftigen.

Die Rhetorik hat ein Modell für kreative Prozesse entwickelt, das sich – mit moderaten begrifflichen Präzisierungen – auf den Entwurfs- und Gestaltungsprozess im Design anwenden lässt.

Ein Strang der Rhetorik hat sich seit dem 20. Jahrhundert besonders der Erforschung von Massenkommunikation und Massenkonsum gewidmet und bildet dabei eine Ergänzungsdisziplin zur Semiotik. Ein zentraler Begriff der Rhetorik ist dabei die »Persuasion« (Überzeugung). Es wird gefragt, wie Kommunikation Wirkung erzielt und überzeugt – und nicht allein verbale Kommunikation, auch andere Zeichen werden hinsichtlich ihrer Wirkung untersucht. Dabei wird der Appellfunktion einer Botschaft besonderes Augenmerk geschenkt und gefragt, ob sie an Logos, Ethos oder Pathos appelliert. Ein Logos-Appell wendet sich an den Intellekt, wirbt mit Vernunftgründen, mit rationalen Argumenten; ein Ethos-Appell wendet sich an das moralische Empfinden, wirbt mit den Charaktereigenschaften des Senders, der Glaubwürdigkeit eines Produktes; ein Pathos-Appell wendet sich an die Emotion, versucht Gefühle hervorzurufen – all das sind Aufgaben, die sich dem Gestalter in seiner Arbeit stellen, er entscheidet, auf welche Appellfunktion er den Schwerpunkt legt, um überzeugend zu kommunizieren.

Unser Dozent Pierre Smolarski hat sein Designrhetorik-Seminar als Vorlesung auf YouTube gestellt. Aus der Einführung:

In [der aristotelischen] Bestimmung [der Rhetorik] sind drei wesentlichen Merkmale der Rhetorik benannt: 1) das Verhältnis von dynamis und techne und damit die Charakterisierung der Rhetorik als Fähigkeit und Kunst; 2) die Frage nach der Möglichkeit der Überzeugung und damit nach der Persuasion als Grundbegriff; und 3) die Frage nach dem Verhältnis von Betrachten, Erkennen und Finden im Ausdruck Theoria und damit einer Rhetorik als Findungskunst.

Als [techne] muss Rhetorik eine lehr- und lernbare Kunst sein, die Einsichten in die Wirkweise gelungener kommunikativer Akte entwickelt, fixiert und tradiert.

Wer die Regeln nicht kennt, besitzt zwar möglicherweise ein rhetorisch glückliches Talent, beherrscht aber nicht die rhetorische Kunst.

Die Rhetorik ist die regelgeleitete Kunst in allen Redegegenständen das mögliche Indentifikationspotential zu finden.

Auch wenn in der alltäglichen Kommunikation eine methodische Findungskunst nicht notwendig zu sein scheint und auch im hier verhandelten Bereich des Designs eine solche techne in der gängigen Praxis scheinbar nicht vorausgesetzt werden kann […], so macht die Rhetorik dennoch den Aspekt stark, dass ein Finden des möglicherweise Überzeugenden notwendig ist, um schließlich auch überzeugen zu können. Dass dies im Alltag und auch im Designbereich oftmals ohne explizite Rhetorikkenntnisse gelingt, darf nicht als ein Zeichen verstanden werden, nach dem in diesen Bereichen auf inventive Techniken verzichtet werden könnte, sondern gerade vielmehr als ein Zeichen der Allgegenwart der inventio.

Wie bereits an anderer Stelle gezeigt wurde, bedient sich aber auch der Designer einer methodischen oder zumindest methodisierbaren Findungskunst. Und wenn in der Designtheorie oftmals nicht gesehen wird, dass diese Techniken ihren systematischen Ort in einer Rhetorik des Designs haben (oder zumindest haben könnten), so deutet dies nicht in Richtung einer vermeintlichen Abwesenheit rhetorischer Techniken, sondern vielmehr auf eine Lücke in der erst entstehenden Designtheorie.

The Design Squiggle
The Process Of Design Squiggle by Damien Newman, thedesignsquiggle.com (CC BY-ND 3.0 US)

Damien Newman versucht mit The Design Squiggle den unklaren, kreativen Prozess des Gestaltens hin zu einem konkreten Ergebnis zu beschreiben:

The Design Squiggle is a simple illustration of the design process. The journey of researching, uncovering insights, generating creative concepts, iteration of prototypes and eventually concluding in one single designed solution. It is intended to convey the feeling of the journey. Beginning on the left with mess and uncertainty and ending on the right in a single point of focus: the design.

So as I pursued my own career in design, I began to write proposals and pitch the process of design using the terms: Abstract, Research, Concepts and then Design.

2009 schrieb er zur Entstehung:

Years ago I dropped a simple illustration into a proposal to convey the design process to a client. It was meant to illustrate the characteristics of the process we were to embark on, making it clear to them that it might be uncertain in the beginning, but in the end we’d focus on a single point of clarity. It seemed to work. And from then on, I’ve used it since. Many many times.

(via Daring Fireball)